Was kommt noch auf uns zu?

Von wegen Durchstarten nach der Corona-Pandemie. Aktuell liegt die Produktion der Metall- und Elektro-Industrie (M+E) immer noch um 16 Prozent unter dem Vorkrisen-Niveau von 2018. Und leider spricht sogar vieles für wirtschaftliches Long-Covid: Putins Angriff auf die Ukraine und die neuen Corona-Lockdowns in China treffen die Weltwirtschaft – und gerade auch unseren Industriezweig. M+E erwirtschaftet schließlich fast 60 Prozent des Umsatzes im Ausland. Und wenn jetzt auch noch ein Stopp für russisches Gas käme: Das würde die wirtschaftlichen Verwerfungen erheblich weiter steigern.

Verglichen mit der Produktion blieb die M+E-Beschäftigung fast stabil. Rund  3,88 Millionen Mitarbeiter hat Deutschlands größter Industriezweig derzeit. Das sind rund 170.000 weniger als vorher. Aber das unterstreicht: Die M+E-Betriebe tun nach wie vor alles, um ihre Belegschaften zu halten – auch wenn das leichter gesagt ist als getan. Denn die Erträge der Unternehmen stehen unter zunehmendem Druck. Obendrein muss weiter investiert werden, in die Mega-Aufgaben Strukturwandel und Digitalisierung.Was vor allem Mut macht beim Blick Richtung Zukunft: Gemeinsam können die M+E-Betriebe und ihre Mitarbeiter große Herausforderungen stemmen. Das haben sie immer wieder bewiesen. Wie sich die M+E-Industrie aktuell entwickelt: mehr dazu hier.

Illustration: iStock.com - MaximYremenko; IW Medien

„Die Unsicherheiten sind größer denn je"

Interview mit Dr. Stefan Wolf, 60. Er ist Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall und Vorstandschef des schwäbischen Automobilzulieferers ElringKlinger.

Herr Dr. Wolf, die Auftragsbücher sind voll. Sind rosige Zeiten angebrochen?

Schön wär’s. Richtig ist, dass die Unternehmen Aufträge bekommen. Das ist ein ermutigendes Zeichen, denn es beweist, dass die Produktpalette stimmt. Aber in vielen Fällen können sie die Aufträge gar nicht abarbeiten, weil die notwendigen Vorprodukte und Rohstoffe nicht da sind. Und wenn sie doch welche bekommen, dann sind sie oft so teuer, dass an den Aufträgen nichts mehr verdient würde – und damit ist auch keinem geholfen. Der russische Angriffskrieg hat die vorher schon angespannte Situation noch mal verschärft. Aber ich bin Optimist und glaube daran, dass sich auch das wieder bessert. Nur sicher nicht so schnell.

Unter den steigenden Preisen leiden aber nicht nur die Unternehmen, sondern auch die Beschäftigten …

Ja, die steigenden Preise sind für Beschäftigte und Unternehmen ein Problem. Aber: Dagegen etwas zu tun ist Aufgabe der Europäischen Zentralbank. In den vergangenen Jahren fand die EZB es wichtiger, die verschuldeten Länder der Euro-Zone mit billigem Geld zu versorgen. Und wenn Preise aufgrund politischer Entscheidungen steigen, wie derzeit insbesondere die Energiepreise, kann auch nur die Politik gegensteuern.

Wie geht’s denn weiter?

Die Unsicherheiten und die Unterschiede, was die Lage der einzelnen Betriebe betrifft, sind aktuell größer denn je. Noch nie haben sich die Risiken so konzentriert wie derzeit. Und dabei müssen die Unternehmen noch die Kraft sammeln, um in den Strukturwandel zu investieren. Aber: In der M+E-Industrie ziehen Unternehmen und Beschäftigte an einem Strang, und gemeinsam schaffen wir auch das.

Foto: Amin Akhtar

Weit unter den Erwartungen

Der Aufschwung bei M+E verzögert sich immer weiter. Nach zwei Rezessionsjahren in Folge (2019 und 2020) geht es seither nicht wirklich aufwärts – im Gegenteil: Die leichte Erholung zu Jahresbeginn 2022 hat Putins Invasion in die Ukraine zunichtegemacht.

Im April stabilisierte sich die Lage zwar wieder etwas. Doch unterm Strich bleibt die Produktion der Metall- und Elektro-Industrie deutlich unter Vorkrisenniveau: Derzeit liegt sie nämlich immer noch um geschlagene 16 Prozent unter dem Stand von 2018.

Die weltweite Industrieproduktion schlägt sich da besser: Ihr Corona-Einbruch war geringer und sie erholte sich schneller. Aktuell liegen wir beim Wachstum um rund ein Viertel unter dem Niveau der gesamten Industrie weltweit. Das liegt an den tiefgreifenden Umbrüchen hierzulande durch Digitalisierung und Energiewende – und an Kostennachteilen für unsere Industrie, gerade auch bei den Arbeits- und Lohnstückkosten.

Erhoffter Job-Aufbau bleibt aus

Verglichen mit der Produktion entwickelte sich die Beschäftigung bei M+E relativ stabil: Trotz des heftigen Konjunktur-Einbruchs in der Pandemie haben die M+E-Betriebe alles getan, um ihre Mitarbeiter zu halten. Grund dafür war nicht zuletzt die Hoffnung auf eine baldige wirtschaftliche Besserung, ähnlich wie nach der Finanzkrise der Jahre 2008/2009. Doch jetzt gibt es extreme wirtschaftliche Unsicherheiten angesichts von Lieferausfällen und des russischen Angriffskriegs in der Ukraine. Sie haben die ursprünglichen Hoffnungen auf einen erneuten Job-Aufbau ausgebremst.

Derzeit gibt es insgesamt rund 3,88 Millionen M+E-Mitarbeiter. Dabei schwankt die Beschäftigungs-Entwicklung gegenüber dem Vorjahr zwischen +3,4 Prozent in der Elektroindustrie und -2,3 Prozent bei Automotive. Klar ist: Die allermeisten Firmen versuchen nach wie vor, ihre Leute zu halten.

 

Die verschiedenen Branchen der Metall- und Elektro-Industrie haben sich zum Teil deutlich unterschiedlich entwickelt. 

Nicht richtig vom Fleck kommen beispielsweise die Hersteller von Metallerzeugnissen wie Kesseln, Schmiede- oder Stanzteilen: Ihre Produktion befindet sich aktuell nur auf dem Niveau von 2015. Ein gutes Stück darüber (+10 Prozent) liegt die Elektroindustrie. Die Automobilindustrie markiert dagegen derzeit das klare Schlusslicht im Branchenvergleich: Sie liegt derzeit um mehr als ein Drittel unter dem Produktionsstand von vor sieben Jahren.

Dass sich die Gemengelage in nächster Zeit entscheidend ändert, ist nicht zu erwarten. Denn auch bei den Aufträgen schneiden Automotive sowie Gießereien teils weit unterdurchschnittlich ab. Dagegen stehen die Elektronik sowie etwa die Hersteller von Schienenfahrzeugen und Fahrrädern bei den Bestellungen besser da.

Materialknappheit trifft fast alle Betriebe

Lieferengpässe sind zum Riesenproblem geworden – zu einem noch größeren als der Fachkräftemangel. Über 80 Prozent der M+E-Betriebe melden Produktionshindernisse wegen Materialknappheit. Oft stockt die Fertigung, weil Lieferanten nicht nachkommen. Häufig bremsen aber auch Ausfälle bei Kunden: Denn wenn beispielsweise keine Autos gebaut werden können, weil etwa Stahl oder Chips fehlen – dann sind von Zulieferern auch keine Achsen oder Motorenteile gefragt. Immerhin sind die Auftragsbücher noch recht gut gefüllt. Das liegt aber auch daran, dass viele Bestellungen wegen Material- und Personalknappheit liegen geblieben sind.

 

Der langjährige Anstieg der M+E-Entgelte toppt die Teuerung locker. Also wuchsen auch die Realeinkommen. Zwar steigen die Preise derzeit, insbesondere für Energie. Ob sich die Lage mittelfristig wieder beruhigt, wie es die meisten Experten erwarten – das hängt auch vom weiteren Verlauf der Tarifrunden 2022 ab: Versuchen die Gewerkschaften, kräftige Lohnsteigerungen durchzusetzen, droht eine Lohn-Preis-Spirale. Ginge am Ende das wirtschaftliche Wachstum komplett in die Knie, gäbe es nur Verlierer.

M+E-Quiz

AUFHOLBEDARF
Eine Krise folgt der anderen. Die M+E-Industrie ist stark betroffen. Um wie viel Prozent liegt ihre Produktion noch unter dem Vorkrisenniveau von 2018? Nennen Sie uns den richtigen Wert und gewinnen Sie einen der nebenstehenden Preise. Viel Glück!

1. Preis Für Genuss auf Knopfdruck: Kaffee-Vollautomat mit One-Touch-Bedienung.

 

2.–8. Preis  Weltweit empfangsbereit: tragbares Digitalradio im Retrolook mit Stereoklang.

 

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Stichwort: M+E-QUIZ
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Spielregeln: Teilnahmeberechtigt sind alle Leser der M+E-Zeitung. Eine Teilnahme über Gewinnspielklubs oder sonstige gewerbliche Dienstleister ist ausgeschlossen. Die Gewinner werden unter allen richtigen Einsendungen ausgelost. Einsendeschluss ist der 22. August 2022. Es gilt das Datum des Poststempels. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.